Was macht Lipödem-Fett so besonders?

11 % der erwachsenen Frauen weltweit sind vom Lipödem betroffen. Die Erkrankung wird oft missverstanden oder mit Übergewicht verwechselt – dabei unterscheidet sich das betroffene Fettgewebe auf zellulärer Ebene deutlich von gewöhnlichem Körperfett. Eine neue Studie hat jetzt genauer untersucht, wie sich Lipödem-Fett bei schlanken und übergewichtigen Frauen verhält – und dabei verblüffende Erkenntnisse zutage gebracht.


Was wurde  untersucht?

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten das Fettgewebe von Lipödem-Betroffenen und verglichen es mit dem von nicht betroffenen Frauen – jeweils in einer schlanken (nicht-adipösen) und einer übergewichtigen (adipösen)Gruppe. Besonders im Fokus: Die Struktur der Fettzellen, das Vorkommen von Immunzellen, sowie Veränderungen der Blut- und Lymphgefäße im betroffenen Bereich – typischerweise dem Oberschenkel.

Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:


Vergrößerte Fettzellen – auch ohne Übergewicht

Bei allen Lipödem-Patientinnen – unabhängig vom BMI – waren die Fettzellen vergrößert („hypertroph“). Das ist ein typisches Merkmal von Adipositas. Interessant: Auch schlanke Lipödem-Betroffene zeigten diese Zellveränderung. Das bedeutet, dass das krankhafte Fettwachstum nicht auf Übergewicht zurückzuführen ist, sondern eine eigenständige pathologische Veränderung darstellt.


Chronische Entzündung im Fettgewebe

In Lipödem-Fett finden sich deutlich mehr Immunzellen (Makrophagen) als in gesundem Fettgewebe. Auch sogenannte „Crown-like Structures“ (CLS), ein Hinweis auf abgestorbene Fettzellen umgeben von Immunzellen, wurden beobachtet. Diese sind normalerweise nur in krankhaft verändertem Fettgewebe (z. B. bei Adipositas) zu finden.

Fazit: Lipedem-Fett ist ein „entzündliches“ Fett – selbst bei schlanken Frauen.


Erhöhte Blutgefäßbildung (Angiogenese)

In der Haut und im Unterhautgewebe der Betroffenen zeigte sich eine erhöhte Anzahl und Weitung von Blutkapillaren. Besonders auffällig war, dass diese Blutgefäße sich bis in die obersten Hautschichten erstreckten – ein Phänomen, das sonst nur bei bestimmten Hautentzündungen wie Psoriasis beobachtet wird.

Fazit: Diese Gefäßveränderungen könnten erklären, warum viele Patientinnen über Schmerzen, Druckempfindlichkeit und blaue Flecken klagen.


Lymphgefäße verändert – aber nur bei Übergewicht

Während Blutgefäße in allen Lipödem-Gruppen auffällig verändert waren, traten Veränderungen der Lymphgefäße nur bei übergewichtigen Lipödem-Patientinnen auf. Die Lymphgefäße waren vergrößert, was auf einen gestörten Lymphabfluss und ein Risiko für ein späteres Lipolymphödem hindeutet.


Was bedeuten diese Ergebnisse für die Therapie?

Die Studie liefert starke Hinweise darauf, dass Lipödem keine reine „Fettverteilungsstörung“ ist, sondern ein entzündlicher, vaskulär bedingter Prozess, der zu krankhaftem Fettwachstum führt – unabhängig vom Körpergewicht.


Warum ist das wichtig?
Viele Patientinnen berichten, dass weder Diäten noch Sport die betroffenen Körperstellen verändern – und werden trotzdem oft mit dem Rat abgespeist, abzunehmen. Diese Forschung zeigt,
dass Lipödem-Fett eine andere biologische Grundlage hat als normales Fett.


Mögliche Ursachen für das Lipödem:
  • Undichte Kapillaren: Durch veränderte Blutgefäße tritt Flüssigkeit ins Gewebe aus, die nicht ausreichend abtransportiert wird.
  • Lymphstau: Besonders bei übergewichtigen Frauen kann der Abfluss der Lymphe gestört sein.
  • Entzündung: Die Flüssigkeit löst Immunreaktionen aus, die Fettwachstum und Schmerzen fördern.
  • Fibrose: Das Gewebe verhärtet sich durch die chronische Entzündung, was eine Gewichtsreduktion zusätzlich erschwert.
  • Nervenbeteiligung: Die Flüssigkeit und Entzündung in der Umgebung der Nerven könnten die Schmerzen erklären, die viele Betroffene empfinden.


Was kann helfen?

Die Studie betont, dass zukünftige Therapien nicht nur auf Gewichtsreduktion abzielen sollten, sondern:

  • die Durchblutung verbessern,
  • Entzündungen reduzieren,
  • und den Lymphfluss unterstützen.


Dazu gehören:

  • Lymphdrainage & Kompression
  • Bewegungstherapie (z. B. Aquafitness, Walking)
  • Ernährungsstrategien zur Entzündungshemmung
  • Liposuktion
  • ggf. Medikamente zur Unterstützung des Gefäßsystems


Fazit:

Lipödem ist eine ernstzunehmende Erkrankung mit komplexen Ursachen, die weit über reine Fettansammlung hinausgehen. Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse helfen, das Krankheitsbild besser zu verstehen – und bringen Hoffnung auf neue, zielgerichtete Behandlungsformen.